Review: Apple TV aus Anwendersicht
Über Apple TV konnte man in den letzten Tagen eine Menge lesen, die lang erwartete Auslieferung wird von entsprechendem Feedback begleitet. Das Hauptaugenmerk lag bisher allerdings auf technischen Details, Hacks und Modifikationen, die „Out of the Box“-Features schienen kaum jemand zu interessieren. Also schauen wir uns einmal an wie sich aus Anwendersicht mit Apple TV zurecht kommen lässt, was das Gerät kann und was es nicht kann.
Raus aus der Schachtel
Wie ein überdimensionaler iPod verpackt, kommt das Gerät im schwarzen Schuber und einem darin steckenden Klappkarton im Apple-Stil auf den Redaktionstisch. Die erste Überraschung ist eigentlich keine, es liegen ein Stromkabel, die Fernbedienung, eine gedruckte Anleitung und sogar die beliebten Apple-Aufkleber bei, aber kein Anschlusskabel für das TV-Gerät. Apple dürfte sich zu diesem Schritt wohl aufgrund der Tatsache entschieden haben, dass je nach verwendetem Fernsehgerät schon mal mindestens drei verschiedene Kabel in Frage kommen und das Beilegen all dieser unnötige und nicht zu knappe Mehrkosten verursacht hätte. Schöner zu lesen wäre natürlich, wenn es hier um Müllvermeidung ginge, aber derartige Überlegungen stehen wohl bei solchen Entscheidungen eher hinten an und taugen nur als vorgeschobenes Argument.
Wie auch immer, auf diesen Umstand wurde im Vorfeld ebenso umfassend hingewiesen wie auf die Tatsache, dass man für die Nutzung des Apple TV einen einigermaßen aktuellen Fernseher braucht – die Spezifikationen lassen sich bei Apple nachlesen und bei Bedarf mit den Infos aus der Bedienungsanleitung des TV-Geräts abgleichen. Wenn Kabel und Fernseher passen kann es losgehen.
Die Inbetriebnahme ist recht einfach und schnell geschehen. Apple TV fragt nach der bevorzugten Sprache, einem Namen und möchte wissen, mit welchem Netzwerk es sich verbinden darf. Für die Eingabe von Netzwerknamen und Passwort wird ein über die Fernbedienung gut bedienbares Keyboard auf dem Fernsehgerät angezeigt. Auch wenn das Hauptaugenmerk bei der Netzwerkverbindung auf Funknetzen liegt, Apple TV lässt sich auch per Ethernetkabel ins Heimnetz einbinden. Vermutlich steht der Rechner in den meisten Fällen jedoch nicht in unmittelbarer Nähe des Fernsehgeräts und so macht die Fixierung auf WLAN durchaus Sinn, lässt sich jedoch ein Ethernetkabel anschließen, so verkürzt dies die Sync-Zeiten und sorgt für eine stabilere Verbindung.
Ist Apple TV im Netz, so wird auf dem Fernseher ein 5-stelliger Zahlencode angezeigt. Jetzt heißt es zum Rechner zu gehen und iTunes zu öffnen, Apple TV wird in der Quellenliste ähnlich wie ein iPod unter dem bei der Installation vergebenen Namen angezeigt. Wohl um der feindlichen Übernahme eines Geräts aus der Nachbarschaft vorzubeugen, muss beim Erstkontakt der oben erwähnte Zahlencode eingegeben werden.
Datenströme
Ohne Zeit zu verlieren startet die Synchronisation zwischen iTunes und dem Apple TV jetzt automatisch. In der folgenden Reihenfolge werden die Inhalte der iTunes-Bibliothek sowie Fotos synchronisiert, bis die für Medieninhalte verbleibenden ca. 32 Gigabyte auf der Festplatte des Apple TV voll sind:
Filme, Fernsehsendungen, Musik, Podcasts, Fotos.
Dieser automatische Sync lässt sich jedoch jederzeit stoppen und genau wie beim Befüllen eines iPod kann man die synchronisierten Inhalte auch detailliert manuell festlegen:
- Filme
Manuell ausgewählt oder nach Kriterien wie ‚ungesehen‘ oder ’neueste‘ sortiert - Fernsehsendungen
Manuell ausgewählt nach Serientitel oder nach Kriterien wie ‚ungesehen‘ oder ’neueste‘ sortiert - Musik
Manuell ausgewählt oder nach Wiedergabelisten, Musikvideos können per Häkchen pauschal an- oder abgewählt werden - Podcasts
Manuell ausgewählt oder nach Kriterien wie ‚ungespielt‘ oder ’neueste‘ sortiert - Fotos
Aus iPhoto (Mac), Photoshop Album/Elements (Win) oder einfach aus einem Ordner auf der Festplatte übernommen.
Die Übertragung einer kompletten iTunes-Bibliothek in einem Standard-Funknetz mit 54 Mbps dauert jetzt schon mal ein paar Stunden, man muss sich also nicht all zu sehr wundern, wenn der Fortschrittsbalken nur kaum merklich vorankommt und sollte sich darauf einstellen, den Rechner über Nacht anzulassen. Unser Testrechner, ein nicht mehr ganz so junger aber dennoch kräftiger G5 mit zwei 2,7 GHz PowerPC-Prozessoren, hatte dazu bei der Übertragung so ordentlich zu schaffen, dass andere Tätigkeiten nicht all zu viel Spaß machten. Von daher also sicher kein Fehler, eine Nachtschicht für Rechner und Netzwerk anzusetzen.
Um so größer war dafür dann die Überraschung, dass sich das Apple TV selbst nach außen hin einen feuchten Kehrricht um diesen Sync-Prozess schert. Trotz dem stetigen Datenstrom im Hintergrund ist es voll navigierbar und weiß Prioritäten zu setzen. Man kann per Streaming sofort und ohne große Wartezeiten oder Aussetzer auf die volle iTunes-Bibliothek zugreifen.
Das Konzept
Überhaupt hat das erste Hands-On einiges an Licht in unser durch Spekulationen und Halbwissen getrübtes Fernsehzimmer gebracht. Mit den vielkritisierten und auf den ersten Blick wirklich knapp bemessenen 40 Gigabyte Speicherplatz auf der integrierten Festplatte lässt sich gleich um einiges besser leben, wenn man seinen ersten Spaziergang durch die per Streaming ‚live‘ verbundene iTunes-Bibliothek am Computer hinter sich hat. Apple TV benötigt ein paar Sekunden um die Bibliotheksdatei zu laden, anschließend lässt sich durch das ferne iTunes browsen wie durch die Files auf der integrierten Platte. Beim Abspielen von Musik gibt es keinerlei Verzögerung, hochaufgelöste Filme puffern ein paar Sekunden vor Wiedergabebeginn.
Für die große Party kann man also alle Register ziehen und über das Netzwerk direkt auf die komplette iTunes-Bibliothek zugreifen falls der vorhandene Speicherplatz auf dem ATV nicht ausreicht. Im täglichen Leben sollte aber der rechnerunabhängige Betrieb von der internen Festplatte in Kombination mit den gut justierbaren Sync-Features ausreichen.
Apple TV bringt somit eindeutig mehr als nur im hiesigen iTunes-Store noch nicht einmal erhältliche, online gekaufte Filme auf die Glotze: Musik, Fotos, selbst gedrehte oder gerippte Filme und bald möglicherweise noch weitere Features wie Adressbuch oder Kalender. Das ‚TV‘ im Produktname steht wohl eher für die Verbindung zum Fernsehgerät als für die unter diesem Kürzel vorstellbaren Inhalte.
Neben dem ‚Hausrechner‘ können übrigens bis zu fünf weitere Computer – Mac oder Windows spielt keine Rolle – auf das Apple TV streamen. In der Praxis bedeutet dies der Freund kommt zu Besuch, klappt sein Notebook auf und im Handumdrehen kann vom TV aus auf seine iTunes Videos oder Musiksammlung zugegriffen werden.
Interface und Wiedergabequalität
Die Qualität von Audio- und Videoausgabe hängen selbstverständlich in erster Linie vom angeschlossenen Ausgabegerät ab. In unserem Falle ist dies ein aktuelles Panasonic LX 600 LCD-Display, und schon beim Startup-Trailer des Apple TV lässt sich erstmals erkennen, was dieses Display leisten kann wenn es anstatt vom billigen Sat-Receiver am Scart-Anschluss seinen Input über HDMI mit optimal abgestimmter Auflösung erhält. Das ATV-Interface ist grafisch sehr ansprechend gestaltet, je nach Menüpunkt werden seitlich Covers und weitere Informationen wie Länge und Infotexte zum ausgewählten File angezeigt. Syncronisierte Fotos lassen sich mit variierbaren Einstellungen und auf Wunsch musikuntermalt als Diashow wiedergeben und präsentieren sich soweit sie nicht gerade mit dem Handy gemacht wurden in bestechender Qualität. Auch die automatisch über iTunes hinzugefügten Covergrafiken sehen auf dem TV sehr gut aus, wer sein Artwork selbst hinzufügt sollte auf ein Minimum von 600 Pixeln Breite bzw. Höhe setzen. Bei den Filmen und Podcasts lassen sich MP4-Videos mit dem alten iPod-Standard von 320 Pixeln Breite in etwa mit VHS-Qualität vergleichbar (weiß noch jemand was das ist?) betrachten. Videos mit höherer Auflösung wie den aktuellen 640 iPod-Pixeln kommen Qualitativ richtig gut, je nach Codierverfahren lassen sich natürlich hie und da Artefakte finden aber unserer Meingung nach in Anbetracht der kompakten Files auch gut mit Leben.
Apple TV hat einen Bildschirmschoner integriert, der wahlweise das Apple-Logo, eigene Fotos oder auch die Covergrafiken elegant über den Bildschirm schiebt. Das Gerät selbst ist im Betrieb übrigens nicht merklich hörbar. Statt nerviger Lüfter dient das Gehäuse zur Wärmeableitung und wird gut warm, Katzenbesitzer machen ihren Lieblingen mit der Anschaffung der Box vermutlich eine besondere Freude.
Ärgernisse
Nicht alles ist Gold, was glänzt wie der Chrom-Apfel auf der ATV-Packung (oder so). Zwei Dinge gefallen uns so gar nicht an der Software der kleinen Box, die über die Settings erreichbare ‚Check for Updates‘-Funktion lässt zumindest die Möglichkeit, dass Apple hier mit einer neuen ATV-Softwareversion für Abhilfe sorgt offen:
iTunes Top-Titel
In den Menüs für Musik und Filme lassen sich jeweils aktuelle Empfehlungen unter den Menüeinträgen ‚iTunes Top Songs‘ oder ‚iTunes Top Videos‘ übers Internet abrufen. Dies mag mitunter nett sein und Spaß machen und die Bildqualität der 30 Sekunden-Trailer für Filme und Musikvideos ist auch ausgesprochen gut. Jedoch würden wir ganz gerne selbst entscheiden, ob wir diese Werbeeinträge im Menü unseres Home Entertainment Centers haben wollen. Ein Abwahlhäkchen hierfür haben wir aber bisher leider nirgendwo gefunden.
Hörbücher
Apple TV hat wie iTunes und die iPods ein eigenes Hörbuchmenü, sortiert hier aber ausschließlich im iTunes Store gekaufte Titel ein. Wurden bisher wenigstens noch Audible-Hörbücher automatisch korrekt einsortiert, werden diese vom Apple TV nicht unterstützt solange sie bei Audible direkt und nicht über den iTunes Store gekauft wurden. Wer dennoch ein einfaches MP3 oder AAC-File bei den Hörbüchern einsortiert haben möchte, macht dies wie nach den altbekannten und hier beschriebenen Methoden. Das Apple TV frisst das File hinterher anstandslos und sortiert es im eigenen Hörbuchmenü ein.
Wie gesagt, in beiden Fällen hoffen wir auf Besserung durch eine neue Firmwareversion.
Fazit
Apple TV provoziert in seiner ersten Version in etwa die selbe Kritik wie der erste iPod bei seiner Vorstellung vor gut fünf Jahren: „Zu teuer“ und „Wozu soll ich das brauchen“. Wir sind jedoch ebenso optimistisch wie damals schon beim iPod: Apple TV bringt die Medienzentrale iTunes ohne lästigen Rechner ins Wohnzimmer und hat das Potenzial, für Luft im HiFi-Regal zu sorgen. Die schlanke Box lässt sich sich problemlos in TV-Nähe unterbringen und könnte zumindest den CD-Player, wenn nicht die ganze Stereoanlage verdrängen, nachdem die Audioqualität direkt aus dem TV-Gerät oder einem daran angeschlossenen Lautsprechersystem inzwischen gleiche Standards erreicht hat. Auf einen Video- oder HD-Recorder werden wir dagegen wohl weiterhin nicht verzichten können – die Apple-Box kann weder empfangen noch aufzeichnen, und dabei wird es vermutlich bis auf weiteres bleiben. Trotzdem wird die Anschaffung all jenen, die iTunes umfassend nutzen und sich in diesem Zusammenhang auch von Vinyl, CDs und VHS-Bändern trennen oder bereits getrennt haben sehr viel Spaß bereiten.
Also für meinen Geschmack ist das etwas zu Apple-Freundlich berichtet. So wirklich neutral seid Ihr die Sache nicht angegangen.
Naja es geht, man kann sich aber immernoch seine eigene Meinung über das Gerät machen. Weiter so iFun :)