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Digitaler Nachlass

Bundesgerichtshof: Benutzerkonten sind vererbbar

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22 Kommentare 22

Der Fall hatte im Vorfeld des heute gefällten Urteils für Aufsehen gesorgt: Haben hinterbliebene Eltern einen Rechtsanspruch, auf das Facebook-Konto der verstorbenen Kinder zuzugreifen?

Allesterben

Facebook selbst wollte die Zugangsdaten nicht herausrücken, die betroffene Mutter zog daraufhin vor Gericht. Heute hat der Bundesgerichtshof entschieden: Der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk ist vererbbar.

Laut dem III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs müssen Benutzerkonten grundsätzlich im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge berücksichtigt werden und gehen entsprechend auf die Erben des ursprünglichen Kontoberechtigten über.

Initial wurde der Fall 2015 vor dem Landgericht Berlin verhandelt, wurde im Mai 2017 dann vom Kammergericht geändert und nun in der vom Berufungsgericht zugelassene Revision noch mal korrigiert. Anders formuliert: Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil des Kammergerichts aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Die Erben haben gegen die Beklagte einen Anspruch, ihnen den Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren.

Das Gericht erklärt den Sachverhalt noch mal in der heute ausgegebenen Pressemitteilung (PDF) zum Aktenzeichen III ZR 183/17:

Die Klägerin ist die Mutter der im Alter von 15 Jahren verstorbenen L. W. und neben dem Vater Mitglied der Erbengemeinschaft nach ihrer Tochter. Die Beklagte betreibt ein soziales Netzwerk, über dessen Infrastruktur die Nutzer miteinander über das Internet kommunizieren und Inhalte austauschen können.

2011 registrierte sich die Tochter der Klägerin im Alter von 14 Jahren im Einverständnis ihrer Eltern bei dem sozialen Netzwerk der Beklagten und unterhielt dort ein Benutzerkonto. 2012 verstarb das Mädchen unter bisher ungeklärten Umständen infolge eines U-Bahnunglücks.

Die Klägerin versuchte hiernach, sich in das Benutzerkonto ihrer Tochter einzuloggen. Dies war ihr jedoch nicht möglich, weil die Beklagte es inzwischen in den sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist. Die Inhalte des Kontos bleiben jedoch weiter bestehen.

Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage von der Beklagten, den Erben Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto zu gewähren, insbesondere zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten. Sie macht geltend, die Erbengemeinschaft benötige den Zugang zu dem Benutzerkonto, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob ihre Tochter kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt habe, und um Schadensersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abzuwehren.

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12. Jul 2018 um 14:37 Uhr von Nicolas Fehler gefunden?


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    22 Kommentare bisher. Dieser Unterhaltung fehlt Deine Stimme.
      • Das sehe ich auch so, allerdings wären die Unternehmen ziemlich sicher ziemlich schnell in ihren Bedingungen ein Ablaufdatum einbauen.
        Dann kaufst du deine Musik halt nur für eine Nutzungsdauer von 30 Jahren, 20 Jahren oder auch nur zehn Jahren, wie auch immer.
        Und diese Nutzungsdauer sind dann natürlich auch die Erben gebunden, somit löst sich das Problem für den Anbieter von selbst irgendwann.
        Ansonsten wären digitale Inhalte ja für alle Ewigkeit konserviert.

      • Und wäre meiner Meinung nach dann wiederum ein Fall für’s Gericht. Sollte wenigstens lebenslang für den Käufer gelten. Wenn ich 70 bin würde ich vielleich gerne wieder einen Klassiker aus 2018 sehen können. Aber das würde vermutlich heute schon nicht gehen – Klauseln dazu gibts ja schon

    • Ich kann mir vorstellen, dass hier das eine mit dem Anderen leider nichts zu tun hat – und separat „verhandelt“ werden muss.. hier steht überall „soziale Netzwerke“. Aber ich lasse mich gerne davon überzeugen, dass das Urteil auf Nutzerkonten übertragbar ist, wie Apple ID etc..

  • Alice O'Melleth
  • Das würde mich sehr interessieren, den mein Vater hatte mehrere tausend Euro in Filme und Musik investiert und Apple stellt sich quer… ich hoffe der Facebook Fall öffnet uns erben die Türen…

    • Das Prinzip wird aber auch dort nicht erklärt.
      Aber so wie ich das sehe, prüft das System in definierten Abständen, ob man noch lebt, ansonsten werden bestimmte Aktionen etc. ausgelöst oder?
      Nun gut, aber was ist das Innovative dahinter?

  • Deswegen besitze ich die Passwörter der gesamten Familie. Jetzt darf nur mir nix passieren… ;)

    • „.. weil die Beklagte es inzwischen in den sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist.“
      Wenn das FB Konto in den „Gedenkzustand“ versetzt wird nutzen auch Passwörter nichts mehr!

    • Dann ist die Lösung doch relativ einfach: Nicht in den „Gedenkzustand“ versetzen.

      • Lies noch mal genauer @Rob, da steht das der Beklagte den Account in diesen Zustand versetzt hat und nicht die Klägerin.

        Auf Gut Deutsch, Facebook hat eigenständig den Account auf diesen Zustand gesetzt, als sie mitbekommen haben, dass die Account Eigentümerin nicht mehr lebt. Das kann erst Monate nach den traurigen Ereignis passiert sein oder unmittelbar als Facebook das mitbekommen hat.

        Spielt aber keine Rolle, denn die Eltern hatten andere Sorgen und anderes zu tun, als sofort hier in FB zu gehen und die Löschung zu beantragen. FB soll hier nicht eigenständig einfach handeln.

      • OMG, oh mein Gott! In der Tat! Vielen lieben Dank für den Hinweis, OMG! Wie toll, dass Du Dir so viel Mühe gemacht hast, entsprechend zu reagieren und mich aufzuklären. Ich war in der Tat nicht wirklich konzentriert zum Zeitpunkt des Verfassens. Jetzt checke ich’s auch. Merci bien! :)

  • Californiasun86
  • Stefan B. aus H.

    Grundsätzlich begrüßenswertes Urteil. Mir wollte der Unterschied zum Postgeheimnis im Erbfall nicht einleuchten. Geschriebenes und Aufgehobenes ist nun mal da, also „Erbmasse“. Hätte der Erblasser die Inhalte nicht hinterlassen wollen, hätte er/sie entsprechende Vorkehrungen treffen müssen. Dass in diesem Fall die Erblasserin erst 12 Jahre alt war und darüber nicht selbst hätte entscheiden können, macht die jetzige Entscheidung zugunsten der Eltern für mich doppelt plausibel.

    Lizenzen wie z. B. von Software oder Online-Diensten zu (ver-)erben ist imho noch ein andere Frage. Diese sollte aber eigentlich auch für die Konsumenten entschieden werden. Andererseits stellt sich da auch die Frage, ob Nutzungsrechte über (wie viele?) Generationen vererbt werden können sollen.

  • Interessantes Thema. Wenn Daten wie bisher gestreut werden: wie kann wirklich noch etwas Privat sein? Wie kann ich dafür sorgen dass wirklich etwas gelöscht wird? Letzlich entscheiden ja die Unternhemen welche Daten gespeichert werden – das sind auch Daten die nicht einmal bewusst hinterlassen werden. Die Zugänge soll die verwandschaft dann Jahre später einklagen können, das ist absurd. Es gibt dazu keine Regeln. Dropbox, Facebook, Whatsapp, Grenzen zu ziehen ist schwer möglich… Generell sehe ich bei digitalen Konten kein „Nachlass“ im Sinne des freizugebenden Postgeheimnises, wenn die Betroffen nicht einmal selbst wissen welche Daten auf welchen Servern vorhanden/noch gespeichert sind. Im beschriebenen Fall ist die Tochter Minderjähring gewesen, das Urteil wird wohl lediglich die Ermöglichung von Kontrollpflichten der Eltern nachkommen. Ebenfalls ist das sperren/löschen des FB-Kontos für Angehörige nicht ganz unwichtig, niemand muss akzeptieren, das facbook automatisiert eine Trauerseite mit Klarnamen bereitstellt. Manche möchten so etwas nicht. Auch Gewissheit zu haben ist natürlich was anders. Nur der Fakt dass u.A. privat geführte Schnüffelein Schadensersatzansprüche des Fahrers abgewendet werden sollen klingt komisch, das spielt nämlich wieder in eine ganz andere Richtung. Sowas sollte generell von „offizieller“ Seite erfolgen, damit tut sich das Urteil keinen gefallen.

  • Sorry aber ich bin total dagegen! Nehmen wir an ich habe einen besten Freund, dem ich all meine Geheimnisse über den Facebook Messenger anvertraue. Sollte dieser Freund versterben, würde es bedeuten, dass seine Hinterbliebenen all meine Nachrichten lesen würden?! Sorry das geht garnet.
    Umgekehrt: wenn ich sterben sollte würde ich auch nicht wollen, dass meine Familie nach meinem Tod all meine privaten und persönlichen Nachrichten liest!

    • Das ist aber mit Briefen nun auch nicht anderes, wenn du ihn alles per Brief schickst und er die dann Archivert. Könnten die Erben auch diese Briefe finden und lesen.

      Das Problem sehe ich also weniger so wie du, dass Problem ist eher wie Ihr mit Daten umgeht bzw. was Ihr alles „Archiviert“. 99% der FB Nachrichten sind mit den ganzen Briefen gleich zusetzten die man sich selber so Privat geschrieben hat. Nach dem lesen der Information und der darauf folgenden Reaktion, sind diese Informationen im Archiv TRASH oder Kamin am besten aufgehoben. Warum damit Schuhkartons füllen oder Sinnlose KB auf einen Server belegen.

    • @ich: Du must jetzt ganz tapfer sein: Auch deine ganz private „Hefte“-/“Filme“-Sammlung wird nach deinem Tod in die Hände deiner Erben fallen – und auch das höchst private „Spiel“-Zimmer mit der hübschen Lederausstattung in deinem Keller…
      Und auf deinen „Privat“-Videos auf den SD-Cards in der Metallkassette bist du hoffentlich wenigstens nur alleine zu sehen…
      (Das gilt alles natürlich nur ganz hypothetisch!)

      Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Du bist dann nämlich tot und hast keine Sorgen mehr – es sei denn, du glaubst an die Hölle :-)

  • Das BGH-Urteil ist die konsequente Anwendung des deutschen Erbrechts. Dort ist die Gesamtrechtsnachfolge geltendes Rech, d.h. der Erbe tritt in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein, soweit es sich nicht um höchstpersönliche Rechte und Pflichten (z.B. Arbeitsvertrag) handelt. Warum sollte für digitales Eigentum etwas anderes gelten als für analoges. Wollte der Gesetzgeber hier einen Unterschied machen, dann muss er das Erbrecht entsprechend ändern, wofür allerdings kein vernünftiger Grund besteht.
    Möchte der Erblasser nicht, dass sein digitales Erbe mitvererbt wird, dann muss er das ausdrücklich in seinem Testament regeln. Hierzu dürfte das Erbrecht ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten bieten.
    Im Übrigen können Allgemeine Geschäftsbedingungen das geltende Erbrecht nicht aushebeln. Wollten Apple, Amazon und Co. Rechte am digitalen Eigentum einschränken, dann dürfen sie m.E. die Rechte nur für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellen; zu prüfen wäre, ob dies z.B. auf die Lebenszeit des Kunden beschränkter wäre, d.h. dass die eingeräumten Rechte automatisch mit dem Tod des Erblassers erlöschen. Dann würden diese Rechte auch nicht in die Erbmasse fallen, da sie beim Erbanfall für eine juristische Sekunde schon nicht mehr bestanden hätten.

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